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Dienstag, 29. Oktober 2013

Medienwissen kompakt: Social Media

Das neue Buch "Social Media" von Jan-Hinrik Schmidt löst das ein, was der Titel der Reihe ("Medienwissen kompakt") verspricht, in der es erschienen ist. Es handelt sich um eine auf exakt 100 Seiten komprimierte Darstellung des Web 2.0 (bzw. der Sozialen Medien bzw. des Sozialen Webs) aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht, die rundum gelungen ist. Klar und anschaulich geschrieben, ordnet es zentrale Informationen und Debatten rund um "das neue Netz" (so der Titel einer früheren Veröffentlichung des Autors) anhand von Leitfragen wie:
  • Verschwindet durch soziale Medien die Privatsphäre? (Kapitel 3: Selbstdarstellung und Privatsphäre in sozialen Medien)
  • Machen soziale Medien jeden zum Journalisten? (Kapitel 4: Medienöffentlichkeit und Journalismus)
  • Bringen soziale Medien Wissen für alle? (Kapitel 5: Teilhabe an Wissenswelten)
  • Sind die sozialen Medien partizipativ? (Kapitel 6: Das Partizipationsparadox)
Der unscharfe Begriff "soziale Medien" lässt sich nach Schmidt durch zwei zentrale Merkmale eingrenzen: "bessere Möglichkeiten, Inhalte online zu veröffentlichen und zu bearbeiten sowie besserer Austausch mit anderen" (S. 11). Entscheidend für das Verständnis ist, "dass soziale Medien einen neuartigen Raum zwischen der massenmedialen und der interpersonalen Kommunikation schaffen und einnehmen" (S. 11). Der Autor unterscheidet vier "Gattungen" von sozialen Medien (S. 11-14):
  • Netzwerkplattformen (= Soziale Netzwerke, Platzhirsch: Facebook)
  • Multimediaplattformen (YouTube für Videos, Flickr für Fotos etc.)
  • Blogs (inkl. Microblogs, Platzhirsch: Twitter)
  • Wikis (allen voran Wikipedia)
Der Satz, der einer Definition am nächsten kommt, findet sich auf S. 16, wenn der Begriff "soziale Medien" bezeichnet wird
"... als Sammelbegriff für bestimmte Angebote und Formen digital vernetzter Medien, die das onlinebasierte Bearbeiten und Veröffentlichen von Inhalten aller Art sowie die Beziehungspflege und den Austausch zwischen Menschen erleichtern."
Dabei seien zwei wichtige Aspekte immer im Hinterkopf zu behalten:
"Soziale Medien entfalten erst im Zusammenspiel mit Menschen, die sie für ihre Zwecke einsetzen, ihre Wirkung. Und diese Wirkung ist Teil unseres alltäglichen Lebens, nicht auf eine virtuelle Realität beschränkt" (S. 21).
Besonders gelungen ist das dritte Kapitel, in dem Schmidt den für das Verständnis des Web 2.0 außerordentlich wichtigen Begriff der "persönlichen Öffentlichkeiten" einführt und erläutert. Es handelt sich um einen (auch medienhistorisch) neuen Typ von Öffentlichkeit, der an die Seite der Medienöffentlichkeit tritt und mit dieser vielfach verwoben ist.
"Zusammengefasst entstehen persönliche Öffentlichkeiten in den sozialen Medien also dort, wo Menschen Informationen von persönlicher Relevanz für ihr erweitertes soziales Netzwerk zugänglich machen und damit einen Austausch mit anderen anstoßen möchten" (S. 27).
Damit ändert sich das, was man "öffentliche Kommunikation" nennen könnte, grundlegend:
"Journalistische Medien schaffen gesellschaftliche Öffentlichkeit für Themen von breiter Relevanz, soziale Medien ermöglichen persönliche Öffentlichkeiten, in denen Menschen mit ihrem sozialen Umfeld in Kontakt bleiben können" (S. 28).
Den "Wandel von Medienöffentlichkeit" (S. 43) nimmt das vierte Kapitel unter die Lupe, das in dem Konzept der "vernetzten Öffentlichkeit" gipfelt:
"Soziale Medien schaffen somit 'vernetzte Öffentlichkeit' in dreifacher Hinsicht: Sie beruhen technisch gesehen auf vernetzten Computern, in sozialer Hinsicht auf Beziehungsnetzwerken zwischen Menschen, die wiederum miteinander verknüpfte Informationsströme teilen" (S. 52).
Dabei zeigt sich, dass soziale Medien die traditionellen Medien nicht etwa überflüssig machen, sondern den Journalismus im klassischen Sinn bei dessen Hauptfunktionen sogar unterstützen können ("die Bürger über aktuelle, relevante Themen zu informieren, Transparenz für Vorgänge in der Gesellschaft herzustellen und Raum für Diskussionen über gemeinsame Werte und Ziele zu schaffen", S. 56).

Das fünfte Kapitel widmet sich verschiedenen Möglichkeiten, wie angesichts des vielbeschworenen "information overload" Orientierung zu erlangen ist (Algorithmen, Bewertungen, Tagging etc.). Hierunter subsumiert der Autor auch das Wiki-Prinzip, das vor allem anhand der Wikipedia dargestellt wird (S. 66 ff.).

Im sechsten Kapitel weist Schmidt auf das Partizipationsparadox hin, das kurz gesagt darin besteht, dass die Web 2.0-Plattformen einerseits von der Beteiligung der Nutzer leben, als kommerzielle Dienste die Nutzer aber andererseits nicht beteiligen, wenn es um die Ausgestaltung der Plattformen geht.

Im Fazit (Kapitel 7) wagt der Autor eine Prognose, wenn er über die Zukunft der sozialen Medien schreibt:
"Doch soziale Medien erfüllen so viele Zwecke - sie machen persönliche Öffentlichkeiten möglich, erleichtern die rasche Verbreitung von Informationen, unterstützen Zusammenarbeit und das gemeinsame Sammeln, Filtern und Bearbeiten von Wissen -, dass die Prinzipien von Netzwerk- oder Videoplattformen, Wikis oder Blogs nicht wieder verschwinden werden, egal wie die Anbieter heißen" (S. 99).

Das Buch schließt mit dem Appell an uns alle, unseren Einfluss auf soziale Medien wahrzunehmen und das Feld nicht (kampflos) den großen Anbietern zu überlassen.

  

Mittwoch, 12. Juni 2013

Ist Twitter in der Wissenschaftskommunikation sinnvoll? - Teil 1

Auf den ersten Blick sieht das hier so aus, als ob es das übliche Gesammele von Kontakten, ob relevant oder nicht, ist und das ebenso übliche Gekrähe, wie beliebt man nun ist, zwecks der wachsenden Zahle der Follower. Also eine übliche Geschichte aus dem märchenhaften Bereich der "social media" - und dann auch noch in Twitter, das ja nur 140 Zeichen pro Eintrag erlaubt und damit nichts, was man sinnvoll kommunizieren könnte? - So könnte man meinen, so ist es aber nicht!

Um noch hier beim Beispiel zu bleiben: Thorsten Faas ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mainz (hier seine offizielle und hier seine private Homepage) und twittert zu seinem Fachgebiet, Wahlforschung - und ab und zu noch ein wenig Fussball. Man hat also Gelegenheit, einem Wissenschaftler bei seinen Entdeckungen, Wertungen, Hinweisen und Überlegungen folgen zu können. Das findet nicht so ausgiebig wie in einem Weblog statt, schließlich gehört Twitter - wie übrigens auch vergleichbare Dienste wie z.B. identi.ca - zum "Microblogging", d.h. es werden nur kleine Sequenzen gepostet, ggf. ergänzt durch Bilder oder Videos.

Ich konnte mir den Mehrwert, den das bringt, anfangs auch nicht recht klar machen, im Grunde muss man anfangen, Kontakte nach Interessen knüpfen. Das geht auf Twitter recht leicht, wenn man schonmal einige Kontakte hat, dann wird man entweder durch Retweets mit den Inhalten weiterer Nutzer/innen vertraut und kann sie abonnieren oder man folgt einem so genannten hashtag, einem Schlagwort. Das sind die Begriffe, die mit einer vorangestellten Raute "#" versehen sind. Oder ich suche in Twitter selbst oder mit Hilfe einer Spezialsuchmaschine wie Topsy nach mich interessierenden Inhalten. Wenn Sie beispielsweise "Wahlforschung" eingeben, kommen Sie wieder auf den oben aufgeführten Twitterer.

Twitter gibt also seine Inhalte recht leicht her, so dass man gut abschätzen kann, ob zu interessierenden Themen relevante Inhalte oder Kommunikationspartner existieren. Und diese kann man weiter beobachten, indem man sich mit ihnen verbandelt. Ob Prof. Faas weiß, dass ich seine Inhalte zur Kenntnis nehme, seit er im September 2012 zum DVPW-Kongress in Tübingen weilte? Es kommt nicht darauf an! Man kann also auf Abstand bleiben oder selbst beitragen oder Diskussionen anfangen, ganz nach Gusto.

Noch etwas gibt das obige Beispiel her: Mit Hilfe von Twitter lassen sich Tagungen gut "verfolgen", wenn genügend eifrige Twitterer an der Tagung teilnehmen. Sie sehen oben das Schlagwort #wks13. Das ist das Schlagwort zu einer Konferenz, das verlinkt ist. Wenn Sie daraufklicken, bekommen Sie Tweets, also Einträge auf Twitter, zu dieser Konferenz, nicht nur von Thorsten Faas, sondern auch von anderen, die an der Konferenz teilnehmen - oder nicht teilnehmen, aber Fragen dazu stellen oder Wertungen abgeben. Somit löst sich die Konferenz potentiell vom Tagungsort, indem Twitterer Inhalte und Verweise (beispielsweise auf abgelegte Präsentationen der Referentinnen und Referenten) posten und andere dies zur Kenntnis nehmen und ggf. darauf reagieren können.

Werden über Twitter nur magere Informationen verteilt? Dieses Beispiel zeigt: Je nach der Güte der Inhalte, die meine Kontakte generieren, wird mein Horizont ziemlich erweitert, sowohl im geographischen als auch im sachlichen Sinne. Twitter kann eine ernstzunehmende Quelle wissenschaftlicher Informationen sein, die noch dazu aktuell sind und Wertungen enthalten - etwas, das durchaus hilfreich sein kann, wenn man es einschätzen kann. Im zweiten Teil - in 7-10 Tagen - möchte ich gern noch systematischer auf die verschiedenen Inhalte, die über Twitter greifbar sind, eingehen.